Ganzheitliches Denken in der Krise

Warum wir umdenken müssen

Die Bilder aus den USA sind schockierend: Über 12.000 Häuser sind in Flammen aufgegangen, ein Flammeninferno wütet in Los Angeles und Umgebung. Schnell werden Schuldige gesucht und gefunden, doch stellt jemand die richtigen Fragen? Warum brennt es überhaupt? Warum gleich an mehreren Stellen gleichzeitig? Und warum immer wieder in dieser Region?

Es reicht nicht, die Ursachen oberflächlich zu betrachten. Trockenheit, Erderwärmung, Klimawandel – all das sind keine neuen Phänomene, doch sie entfalten jetzt ihre volle Wirkung. Was wir derzeit in Kalifornien sehen, geschieht weltweit: In der Arktis schmilzt das Eis, Europa kämpft mit Wasserknappheit, im Mittelmeerraum nehmen Orkane zu, und der Golfstrom droht zu kippen. Die Frage ist: Warum reagieren wir nicht?

Brennende Landschaften, schmelzende Polkappen

Das Versagen der Kurzfristigkeit

Regierungen verfügen über enorme Datenmengen. Wissenschaftler analysieren seit Jahrzehnten, wie sich Wetter, Stürme, Temperaturen und Meere entwickeln. Sie geben Handlungsempfehlungen, die auf langfristigen Prognosen basieren. Doch die Realität zeigt, dass kaum darauf reagiert wird. Stattdessen herrscht Stillstand – trotz aller wissenschaftlichen Erkenntnisse.

Ein Kernproblem ist die demokratische Regierungsstruktur: Wahlperioden von vier bis fünf Jahren lassen nur Raum für kurzfristige oder mittelfristige Entscheidungen. Langfristige Themen, die 10, 20 oder gar 50 Jahre in die Zukunft blicken, fallen oft unter den Tisch. Der Fokus liegt auf schnellen Erfolgen, die in der nächsten Wahlperiode präsentiert werden können.

Doch der Klimawandel fordert langfristige Strategien. Es reicht nicht, punktuelle Maßnahmen zu ergreifen. Es braucht eine Vision, eine Agenda, die von der gesamten Gesellschaft getragen wird – unabhängig davon, welche Regierung gerade an der Macht ist.

Lebensfähigkeit als oberstes Ziel

Frederic Vester schrieb in seinem Buch „Die Kunst, vernetzt zu denken“, dass das oberste Ziel unserer Gesellschaft die Erhöhung und Sicherung der Lebensfähigkeit unseres Systems sein sollte. Doch was bedeutet das konkret?

Ein Beispiel: Statt immer schneller, besser und mehr zu produzieren, sollten wir uns auf eine nachhaltige Produktion fokussieren. Ressourcenverschwendung muss ein Ende haben. Lebensmittel, die wir konsumieren, sollten aus der eigenen Region stammen, statt um die halbe Welt transportiert zu werden.

Ein absurdes Beispiel, das den Wahnsinn unseres Systems verdeutlicht: Krabben aus der Nordsee werden nach Marokko geflogen, dort verarbeitet und dann zurück nach Europa transportiert. Oder Jungtiere werden quer durch Europa transportiert, um in anderen Ländern verkauft zu werden. Solche Praktiken tragen nicht zur Lebensfähigkeit unseres Systems bei – sie gefährden es.

Eine Agenda für die Zukunft

Die Herausforderung liegt darin, alle Handlungen und Entscheidungen an einem übergeordneten Ziel auszurichten: der Sicherung der Lebensfähigkeit unseres Ökosystems. Dies erfordert ein Umdenken auf allen Ebenen – von der Politik bis zu uns als Einzelpersonen.

Wir müssen uns bei allem, was wir tun, fragen: Trägt es zur Sicherung der Lebensfähigkeit unseres Systems bei?

  • Produktion und Konsum: Können wir mit weniger Ressourcen mehr erreichen? Ist das Produkt wirklich notwendig, oder schaffen wir nur überflüssigen Abfall?
  • Transport und Logistik: Müssen Produkte tausende Kilometer reisen, oder können wir regionale Alternativen nutzen?
  • Energie und Infrastruktur: Setzen wir auf nachhaltige Technologien, die langfristig den Planeten schützen?

Die Antwort auf diese Fragen muss immer lauten: Ja, es trägt zur Erhöhung der Lebensfähigkeit unseres Systems bei. Andernfalls müssen wir einen anderen Weg finden.

Der Weg aus dem Dilemma

Die Klimakrise ist keine isolierte Herausforderung, sondern das Ergebnis eines Systems, das über Jahrzehnte auf Wachstum um jeden Preis gesetzt hat. Um aus diesem Dilemma herauszukommen, brauchen wir einen ganzheitlichen Ansatz. Es reicht nicht, Symptome zu bekämpfen – wir müssen die Ursachen angehen. Und das erfordert Mut zur Veränderung.

Die Welt brennt – nicht nur in Los Angeles. Es ist Zeit, dass wir unser Denken und Handeln grundlegend ändern. Denn nur, wenn wir die Lebensfähigkeit unseres Planeten sichern, haben wir eine Zukunft.

Die Frage ist nicht, ob wir handeln können. Die Frage ist: Wann fangen wir endlich an?